Date: 17. September 2023

Gochsheim – Vom Friedhof zum Campus Vivorum?

GOCHSHEIM

Vom Friedhof zum Campus Vivorum?

Foto: Ruth Volz | Grasflächen statt Steinwege und Stelen mit individuellem Blumenschmuck: Der Gochsheimer Friedhof gilt als gelungenes Beispiel für zeitgemäße Bestattungskultur.

Von Peter Volz

17.09.2023  |  aktualisiert: 17.09.2023 11:44 Uhr

115 Teilnehmer hatten sich für die Fachveranstaltung des Amts für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kitzingen-Würzburg zum Thema “Herausforderungen an die Friedhöfe von heute” angemeldet. Sie bekamen durch Vorträge und eine Führung durch den Gochsheimer Friedhof nützliche Anregungen.

Bürgermeister Manuel Kneuer begrüßte gemeinsam mit Claudia Taeger, Abteilungsleiterin Gartenbau am AELF, und ihr emMitarbeiter Tobias Vogl die Gäste zum Tag des Friedhofs 2023. In seinem Grußwort verwies Gartenbau-Bezirksvorsitzender Thorsten Schwab auf die Funktion der Friedhöfe als Erinnerungsstätte. Der Bezirksverband fördere aktuell die Baumpflanzung in Friedhöfen.

Julian Böck von der Landesfachgruppe Friedhof im Bayerischen Gärtnereiverband wünscht sich zukunftsfähige Ideen für Beisetzungen, um der Flucht aus den kommunalen Friedhöfen zu begegnen. Das Bestattungsrecht hinke hinter den Erfordernissen hinterher und sei eher Hemmschuh als Hilfe, kritisierte er.

Friedhof für Lebende

Viele Anregungen bekamen die Zuhörer durch den Vortrag von Günter Czasny, der auch das Konzept des Campus Vivorum, Friedhof für Lebende, vorstellte, wie es als Experimentierfeld in Süßen (Baden-Württemberg) eröffnet wurde. Der Trend gehe zu Grabarten mit geringer Pflege: Kolumbarien, Rasenfelder, Beisetzungswälder, anonyme Beisetzungen, Baumbestattungen und Gemeinschaftsanlagen.

Da in Beisetzungswäldern jeglicher Grabschmuck verboten sei, entferne sich die Beisetzungsfläche emotional von den Hinterbliebenen, weiß Czasny. Trauernde entwickelten ein Sehnsuchtsgefühl und suchten die Nähe zum Verstorbenen. Sie hängen Bilder auf, hören Musik, schauen Filmaufnahmen an, um den Gestorbenen zu vergegenwärtigen.

Foto: Ruth Volz | Ein Kommunikationsplatz mit Pergola, Springbrunnen und Sitzmöglichkeiten gibt es im hinteren Teil des Friedhofs, den auch Kinder gerne besuchen.

Czasny verdeutlichte, wie der Friedhof Spielflächen für Kinder, Erholungsflächen, Meditations- und Naturbeobachtungsorte und sinnliche Erfahrungen (Dürfte, Farben, Formen) aufnehmen könne, ja sogar zum Erinnerungspunkt für Demente werden könne. Dazu müsse allerdings das starre Beisetzungsrecht der Länder grundlegend reformiert werden. Der Friedhof sei eine der wichtigsten Örtlichkeiten der Kommune. Die weiträumige Anlage des Gochsheimer Friedhofs hob er als positives Beispiel hervor.

Umgestaltung kostete 395.000 Euro

Bürgermeister Kneuer skizzierte die Geschichte der ursprünglich sechs Gochsheimer Friedhöfe und deren Wandel. Er würdigte die Verdienste seiner Amtsvorgängerin Helga Fleischer und der beteiligten Architekten. Friedhof A werde in absehbarer Zeit zur Parkanlage gewidmet. Kneuer betonte, wie wichtig die Mitwirkung der Grabpächter bei der Umgestaltung war und wie bedeutsam die Überzeugungsarbeit durch Planer und Gemeinde. Nachdem das erste Teilstück umgestaltet war, konnten sehr viele Pächter (etwa 80 %) für weitere Umgestaltungen gewonnen werden, die Friedhofsneugestaltung sei somit zum Selbstläufer geworden.

Foto: Ruth Volz | Beliebte Urnengemeinschaftsgrabanlagen mit Rosen, Stauden, Blühpflanzen und Bodendeckern, die kostenpflichtig gepflegt werden.

Neu gestaltet wurden die Eingänge, Kreuzwege, Rasenwege, Wasserstellen, Schirme als Witterungsschutz, das Feld für die Sternenkinder, der Kiefernhain und eine Fläche für Verstorbene muslimischen Glaubens. Beibehalten und ergänzt wurden Hecken- und Baumbestand. Die Gesamtkosten betrugen laut Kneuer bisher 395.000 Euro. 

17. September 2023
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